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Bundesverfassungsgericht kippt Teile von Observationsregelung in NRW-Polizeigesetz
Das Bundesverfassungsgericht hat Bestandteile einer Observationsregelung im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz für verfassungswidrig erklärt. Die darin definierte "Eingriffsschwelle" für Überwachungen sei zu allgemein und gebe den zuständigen Behörden und Gerichten "keine hinreichend bestimmten Kriterien an die Hand", hieß es in dem am Freitag veröffentlichten Beschluss. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sei erforderlich, dass die fraglichen Maßnahmen wenigstens eine "konkretisierte Gefahr" voraussetzten. (Az. 1 BvL 3/22)
In dem Rechtsstreit ging es um die Kombination von Bestimmungen, die eine längerfristige heimliche Überwachung unter Einsatz technischer Mittel wie Kameraaufzeichnungen zur Gefahrenabwehr regeln sollen. Die maßgeblichen Formulierungen im Landespolizeigesetz genügen laut Bundesverfassungsgericht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedoch nicht. Die Regelungen setzten lediglich voraus, "dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Personen bestimmte Straftaten 'begehen wollen'", erklärte es. Dies reiche nicht aus.
Hinsichtlich der fraglichen "Eingriffsschwelle" müsse in dem Polizeigesetz stattdessen eindeutig geregelt sein, "dass Tatsachen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen müssen und dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann". Die Befugnisse zur Überwachung an sich seien allerdings grundrechtskonform.
Der Gesetzgeber habe daher die Möglichkeit, das Polizeigesetz entsprechend nachzubessern, betonte das Bundesverfassungsgericht. Generell stelle eine längerfristige Observation unter Einsatz technischer Mittel immer einen schweren Eingriff in die Privatsphäre dar. Diese diene allerdings legitimen Zielen wie der Verhinderung von schweren Straftaten und der Abwehr von Gefahren für die Bevölkerung. Sie sei daher "im verfassungsrechtlichen Sinn geeignet und erforderlich". Allerdings sei die Verhältnismäßigkeit zu wahren.
Konkret ging es in dem Fall um die Klage einer Frau, bei der im Jahr 2015 ein aus dem Gefängnis entlassener Häftling eingezogen war, der als rechtsextremer Gefährder eingestuft war. Um ein etwaiges Abtauchen des unter anderem wegen Totschlags verurteilten Manns in den Untergrund zu verhindern, ordneten die Polizeibehörden die heimliche Langfristobservation unter Einsatz technischer Mittel für zunächst einen Monat an. Dabei wurde auch die Frau fotografiert.
Später klagte sie deshalb gegen die Polizei. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster gab ihr zum Teil Recht, erklärte den Eingriff in ihr sogenanntes informationelles Selbstbestimmungsrecht aber generell für gerechtfertigt. Dagegen wiederum wandte sich die Frau in einem Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dieses setzte das Verfahren im Mai 2022 aus und legte die Sache zwecks Rechtsauslegung dem Bundesverfassungsgericht vor.
L.Dubois--BTB