Berliner Tageblatt - Verfassungsschutz registriert mehr Fälle von Rechtsextremismus bei Behörden

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Verfassungsschutz registriert mehr Fälle von Rechtsextremismus bei Behörden
Verfassungsschutz registriert mehr Fälle von Rechtsextremismus bei Behörden / Foto: © AFP/Archiv

Verfassungsschutz registriert mehr Fälle von Rechtsextremismus bei Behörden

Bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern gibt es mehr Rechtsextremismus als bislang bekannt. In 327 von 860 untersuchten Fällen ergaben sich Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, wie es in einem am Freitag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellte Lagebild heißt. Bundesverfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sprach von einem starken Anstieg der registrierten Fallzahlen gegenüber dem vorherigen Lagebericht.

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Die 860 von den Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern ausgewerteten Fälle beziehen sich auf den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2021. Es ging dabei um Rechtsextremismus sowie "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". In den Landessicherheitsbehörden gab es den Angaben zufolge bei 189 Fällen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, in den Behörden 138. Als Konsequenz aus all diesen Fällen wurden 500 arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet.

Zu den Bundessicherheitsbehörden zählen die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Bundestagspolizei, der Zoll, der Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr mit insgesamt 355.100 Beschäftigten. Hinzu kommen die Sicherheitsbehörden der Länder, insbesondere die Polizeien.

"Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Rechtsextremisten sabotiert wird", sagte Faeser. "Das schulden wir auch der ganz überwiegenden Mehrzahl der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht." Deren Ruf dürfe "nicht unter wenigen Extremisten leiden". Bedienstete bewegten sich in Netzwerken aus dem privaten Umfeld, wo sie in ihrer Haltung noch bestärkt würden, führte Faeser aus. Es handele sich aber nicht um Netzwerke in den Behörden.

Haldenwang sagte, die Gesamtzahl falle nahezu neunmal so hoch aus wie beim vorangegangenen Lagebild. Die Zahl der Fälle mit tatsächlichen Anhaltspunkten liege dreimal so hoch. Allerdings könne daraus nicht geschlossen werden, dass die Sicherheitsbehörden extremistischer geworden seien. Vielmehr sei das Plus auch auf die Einbeziehung der Bundeswehr und die genauere Untersuchung der Fälle zurückzuführen

Nach Einschätzung der Linken könnten die Zahlen in Wirklichkeit noch höher liegen. "Die heute mit dem Lagebild zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden vorgestellten Zahlen dürften weit von der Realität entfernt sein", erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Martina Renner. "Wir laufen der Entwicklung und Vernetzung der extremen Rechten noch immer hinterher." Hätten die jetzigen Ergebnisse schon früher vorgelegen, wären sie auch früher für Ermittlungen nutzbar gewesen.

"Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden stellt eine ernstzunehmende Gefahr dar, die zu lange Zeit nicht gesehen werden wollte", sagte die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic der Nachrichtenagentur AFP. Auch wenn die Zahlen im Vergleich zur Gesamtzahl der Beschäftigten gering seien, "sehen wir uns mit einem Problem für die Innere Sicherheit konfrontiert". Nötig seien daher verpflichtende Schulungen und Fortbildungen.

Mit 152 Fällen am häufigsten wurden dem Lagebild zufolge Mitgliedschaften in einschlägigen Chatgruppen registriert. 143 Mal wurden Mitgliedschaften in, Unterstützung von oder Kontakte zu verfassungsschutzrelevanten Organisationen entdeckt. Außerdem wurden 141 Fälle von politisch motivierter Beleidigung festgestellt. Sie bezogen sich auf Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen islamischen oder jüdischen Glaubens.

Als rechtliche Konsequenz kündigte Faeser noch für dieses Jahr einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdisziplinargesetzes an. "Wir werden Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernen." Zudem werde die Prävention gestärkt - und zwar bei der Personalauswahl, mit Schulungen und mit Ansprechstellen in den Behörden.

T.Bondarenko--BTB