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NGOs werfen Israel "Völkermordhandlungen" im Gazastreifen vor
Mehr als 14 Monate nach dem Beginn des Gaza-Kriegs wird die Kritik an Israel immer stärker. Die Organisationen Human Rights Watch (HRW) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) warfen der israelischen Regierung am Donnerstag schwere Menschenrechtsverstöße vor. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte die "humanitäre Situation im Gazastreifen nicht mehr tragbar". Israel, das mit seinen Angriffen auf den Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas vom 7. Oktober 2023 reagiert, wies die Vorwürfe zurück.
HRW warf Israel in einem Bericht "Völkermordhandlungen" im Gazastreifen vor. Die israelischen Behörden enthielten der Bevölkerung in dem Palästinensergebiet auf "systematische Art und Weise" Wasser vor, was "wahrscheinlich tausende Todesfälle verursacht hat", kritisierte die Organisation.
HRW führt an, Israel habe absichtlich Wasser- und sanitäre Anlagen beschädigt, darunter Solaranlagen für ein Klärwerk, einen Wasserspeicher und ein Lagerhaus für Ersatzteile. Zudem habe Israel die Lieferung von Treibstoff für Generatoren und Ersatzteile blockiert sowie die Stromversorgung gekappt.
Damit hätten die israelischen Behörden "der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen absichtlich Lebensbedingungen auferlegt, die geeignet waren, ihre physische Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen", heißt es in dem HRW-Bericht weiter. Dies komme dem Kriegsverbrechen der "Vernichtung" und "Völkermordhandlungen" gleich. Die Menschenrechtsorganisation rief die internationale Gemeinschaft auf, "alles in ihrer Macht stehende zu tun, um Völkermord durch Israel im Gazastreifen zu verhindern".
Israel erwiderte, der Bericht sei "voller Lügen" und beschuldigte HRW, "anti-israelische Propaganda" zu verbreiten. Das Außenministerium warf der in New York ansässigen Organisation vor, erneut "blutige Verleumdung" zu betreiben. Die im Bericht enthaltenen "Lügen" seien "selbst für die ohnehin niedrigen Standards von HRW entsetzlich", hieß es in einer Mitteilung.
Israel habe seit Kriegsbeginn trotz ständiger Angriffe durch die Hamas "den kontinuierlichen Fluss von Wasser und humanitärer Hilfe nach Gaza ermöglicht" und zudem dafür gesorgt, dass "Wasserpumpen und Entsalzungsanlagen in Betrieb blieben". Derzeit seien drei Wasserleitungen aus Israel für die Versorgung des Gazastreifens in Betrieb, teilte Cogat, die für zivile Angelegenheiten in dem Palästinensergebiet zuständige Behörde des israelischen Verteidigungsministeriums, mit.
Ärzte ohne Grenzen erhob in einem Bericht ebenfalls schwere Vorwürfe gegen Israel. Das Vorgehen beinhalte "Massentötungen, schwere Angriffe auf die psychische und körperliche Gesundheit, Zwangsvertreibung und unmögliche Lebensbedingungen für Palästinenser, die mit Belagerung und Bombardierung leben", erklärte MSF-Generalsekretär Christopher Lockyear. Diese Handlungen zeigten "unbestreitbar" "Anzeichen für ethnische Säuberung".
Das israelische Außenministerium bezeichnete die Vorwürfe von MSF als "erfunden": Der MSF-Bericht sei "komplett falsch und irreführend". "Israel greift keine medizinischen Teams oder Menschen an, die mit terroristischen Aktivitäten nichts zu tun haben", hieß es weiter. Die israelische Armee gibt bei Angriffen zudem immer wieder an, diese würden auf Infrastruktur der Hamas abzielen und auf Orte, an denen sich die Kämpfer inmitten der Zivilbevölkerung versteckt hielten.
Bundesaußenministerin Baerbock machte die israelische Regierung für ausbleibende Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung im Gazastreifen verantwortlich und forderte sie zu einem Kurswechsel auf. "Es ist an der israelischen Regierung, ihr militärisches Vorgehen endlich anzupassen, den humanitären Zugang zu verbessern, und in den Gebieten, die die IDF (israelische Armee) kontrolliert, Sicherheit für die Helfer zu schaffen", erklärte sie.
Baerbock kritisierte, die humanitäre Lage im Gazastreifen sei "nicht mehr tragbar", die israelischen Militäreinsätze dort forderten "viel zu viele zivile Tote". Humanitäre Zugänge seien "eine internationale Verpflichtung", die "jede Konfliktpartei einhalten" müsse. Baerbock erklärte: "Es gibt klare Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs, aber unsere Appelle wurden nicht befolgt und unseren humanitären Unterstützungsangeboten immer wieder Steine in den Weg gelegt."
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte im Mai einen sofortigen Stopp der israelischen Militäroffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens angeordnet und Israel im Juni dazu aufgefordert, mit der Untersuchung der Völkermordvorwürfe beauftragten UN-Ermittlern Zugang zu den Gebieten zu ermöglichen. Zuvor hatte Südafrika im Dezember 2023 beim Internationalen Gerichtshof (IGH) eine Klage eingereicht, in der es Israel "Völkermord" im Gazastreifen vorwarf.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte Anfang Dezember einen knapp 300 Seiten langen Bericht vorgelegt, in dem Israel "Völkermord" an der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen vorgeworfen wird. Die israelische Regierung wies die Beschuldigungen als "völlig falsch" zurück.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den beispiellosen Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Dabei hatten Kämpfer der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen nach israelischen Angaben 1208 Menschen getötet sowie 251 Geiseln genommen und in den Gazastreifen verschleppt. 96 der Geiseln werden demnach immer noch dort festgehalten, 34 von ihnen sollen allerdings bereits tot sein.
Israel geht seit dem Hamas-Überfall massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bereits mehr als 45.000 Menschen getötet. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden. Die Vereinten Nationen stufen diese jedoch als glaubhaft ein.
C.Meier--BTB