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Empörung nach massiven russischen Angriffen auf die Ukraine an Weihnachten
Russische Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur an Weihnachten haben bei Kiews Partnern für Entrüstung gesorgt. US-Präsident Joe Biden nannte die Drohnen- und Raketenangriffe am Mittwoch "empörend" und kündigte weitere Waffenlieferungen an die Ukraine an. Der britische Premierminister Keir Starmer verurteilte die "brutale Kriegsmaschinerie, die nicht einmal an Weihnachten still steht". Unterdessen versicherte der russische Außenminister Sergej Lawrow, Frankreich habe sich um einen "Dialog über die ukrainische Frage" unter Umgehung Kiews bemüht.
Kreml-Chef Wladimir Putin habe bewusst Weihnachten für die Angriffe gewählt, "was könnte unmenschlicher sein?", schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Onlinedienst Telegram. Die russische Armee haben mit mehr als 70 Raketen und über hundert Drohnen angegriffen. "Das Ziel ist unser Energiesystem", fügte Selenskyj hinzu.
Um 05.30 Uhr (Ortszeit, 06.30 Uhr MEZ) war am Mittwochmorgen überall in der Ukraine Raketenalarm ertönt. Die ukrainische Luftwaffe teilte mit, sie habe 58 von insgesamt 79 von Russland abgefeuerten Raketen abgewehrt. Es sei jedoch nicht gelungen, zwei von Russland gestartete nordkoreanische Raketen abzuschießen.
Laut ukrainischem Stromnetz-Betreiber DTEK wurden Wärmekraftwerke schwer beschädigt. In mehreren Regionen kam es zu Ausfällen bei der Energieversorgung. In der Region Charkiw waren laut regionalen Behörden zeitweise 500.000 Menschen ohne Strom. In der Stadt Dnipro mussten dem Bürgermeister zufolge Patienten aus einem Krankenhaus in eine andere Klinik verlegt werden.
In der umliegenden Region Dnipropetrowsk wurde ein Mitarbeiter eines Wärmekraftwerks getötet, wie Gouverneur Serhij Lysak mitteilte. Bereits an Heiligabend waren nach Lysaks Angaben bei einem Angriff auf die Stadt Krywyj Rih ein Mensch getötet und 17 weitere verletzt worden.
"Russlands Boshaftigkeit wird die Ukraine nicht brechen und Weihnachten nicht ruinieren", erklärte Selensykj. Die Ukraine feierte Weihnachten in diesem Jahr zum zweiten Mal offiziell am 25. Dezember statt wie früher am 7. Januar. Die Regierung hatte das Datum verschoben, um sich von dem Weihnachtstermin nach russischer Tradition zu distanzieren.
Am Mittwoch zogen rund 200 Menschen Weihnachtslieder singend durch Kiew. "Wir lassen uns nicht entmutigen", sagte eine Teilnehmerin der Nachrichtenagentur AFP.
Biden verurteilte die Angriffe vom Mittwoch in einer Erklärung als "empörend". Diese hätten das Ziel, die Ukrainer im Winter von der Strom- und Wärmeversorgung abzuschneiden, fügte der scheidende US-Präsident hinzu. Er habe das US-Außenministerium angewiesen, die Waffenlieferungen an die Ukraine fortzusetzen, die Vereinigten Staaten würden "weiterhin unermüdlich daran arbeiten, die Position der Ukraine bei der Verteidigung gegen die russischen Streitkräfte zu stärken".
Starmer verurteilte "Putins blutige und brutale Kriegsmaschinerie". Der Widerstandsfähigkeit des ukrainischen Volks und Selensykjs Führungskraft zolle er Respekt.
Papst Franziskus rief in seiner Weihnachtsbotschaft zum Frieden auch in der Ukraine auf. "Habt den Mut, die Tür für Verhandlungen sowie für Gesten des Dialogs und der Begegnung zu öffnen, um zu einem gerechten und dauerhaften Frieden zu gelangen", sagte er weiter. Vergangene Aufrufe des Papstes zu einer Verhandlungslösung in dem seit fast drei Jahren andauernden russischen Angriffskrieg hatten für Kritik in Kiew gesorgt.
Unterdessen warf Russland der Ukraine vor, für 55 Brand- und Bombenanschläge auf Banken, Poststellen oder Polizeiautos verantwortlich zu sein, die seit Mittwoch vergangener Woche in mehreren Regionen verübt worden sein. 44 Verdächtige seien festgenommen worden, darunter viele ältere Menschen und Minderjährige, die "auf leichtes Geld aus waren", wie das Innenministerium am Donnerstag mitteilte.
Die Verdächtigen hätten von "anonymen Hintermännern" Anweisungen per Telefon oder über Messengerdienste erhalten. "Hinter diesen Verbrechen stecken die ukrainischen Geheimdienste", hieß es weiter. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hat es immer wieder kleinere Anschläge zum Beispiel auf Bank- oder Postfilialen sowie Rekrutierungsbüros der Armee gegeben.
Russland meldete zudem am Mittwoch insgesamt fünf Tote durch ukrainische Drohnenangriffe in der russischen Grenzregion Kursk sowie in der Kaukasusregion Nordossetien.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow versicherte am Donnerstag, dass Frankreich sich um einen "Dialog über die ukrainische Frage" unter Umgehung Kiews bemüht habe. "Ich werde nicht ins Detail gehen, um nicht wen auch immer zu enttäuschen, aber unsere französischen Kollegen haben mehrere Male über vertrauliche Kanäle Aufrufe gestartet", sagte Lawrow bei einer Pressekonferenz in Moskau.
"'Lasst uns helfen, lasst uns einen Dialog über die ukrainische Frage beginnen'", habe es darin geheißen. "Übrigens ohne die Ukraine", fügte Lawrow hinzu. Das Ansinnen sei entgegen der ständigen Beteuerungen des Westens erfolgt, der immer wieder betone: "'Kein Wort über die Ukraine ohne die Ukraine'". "Wir haben nicht abgelehnt", sagte der russische Chef-Diplomat über den angeblichen Vorschlag Frankreichs.
Lawrow machte keine Angaben dazu, wann diese angeblichen Kontakte erfolgten oder worum es genau gegangen sein soll. Aus Frankreich gab es zunächst keine Reaktion auf Lawrows Äußerungen.
Die Ukraine dringt auf Einigkeit ihrer Unterstützer in Europa und den USA. Sie fürchtet, anderenfalls zu einem nachteiligen Friedensabkommen mit Russland gezwungen zu sein.
I.Meyer--BTB