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Sicherheitskräfte in Syrien gehen gegen Assad-treue "Milizen" vor
Im Westen Syriens sind Sicherheitskräfte der neuen Regierung Medienberichten zufolge gegen "Milizen" vorgegangen, die dem gestürzten Machthaber Baschar al-Assad die Treue halten. Bei den Kämpfen in der Provinz Tartus sei es gelungen, eine Reihe von Mitgliedern der "Milizen" zu "neutralisieren", meldete die Nachrichtenagentur Sana am Donnerstag. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete drei Tote aus den Reihen der Unterstützer der früheren Regierung. Tartus ist eine Hochburg der alawitischen Minderheit, der auch Assad angehört.
Ziel des Einsatzes der neuen Regierung sei es gewesen, "die Sicherheit" in der Küstenregion wiederherzustellen, berichtete Sana weiter. Die Beobachtungsstelle erklärte, es habe mehrere Festnahmen im Zusammenhang mit tödlichen Kämpfen in der Ortschaft Chirbet al-Maasa vom Vortag gegeben.
Am Mittwochabend hatten die Aktivisten bereits 17 Tote infolge der Kämpfe in der Provinz Tartus gemeldet - drei Vertreter der ehemaligen Regierung und 14 Sicherheitskräfte der neuen Regierung. Demnach war es bei der versuchten Festnahme eines Offiziers der gestürzten Staatsführung zu den Zusammenstößen gekommen.
Die Sicherheitskräfte hätten versucht, den Offizier Mohammed Kandscho Hassan festzunehmen, der zu den Verantwortlichen für die Verbrechen im berüchtigten Saidnaja-Gefängnis gehöre. Er habe "Todesurteile und willkürliche Urteile gegen Tausende von Gefangenen verhängt", hieß es weiter.
Der neue syrische Innenminister Mohammed Abdel Rahman erklärte, es seien "14 Mitarbeiter des Innenministeriums getötet und zehn weitere verletzt worden", als sie in Tartus "in einen heimtückischen Hinterhalt von Überresten des verbrecherischen Regimes" gerieten, "während sie ihre Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Sicherheit erfüllten".
Die Beobachtungsstelle hatte zuvor erklärt, dass am Mittwoch an mehreren Orten an der Küste und im Zentrum Syriens tausende Alawiten auf die Straße gegangen seien, nachdem ein Video aufgetaucht war, welches einen "Angriff von Kämpfern" auf einen wichtigen alawitischen Schrein in Syriens zweitgrößter Stadt Aleppo zeigt. Das Heiligtum wurde in Brand gesetzt.
Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von Protesten in Tartus, Latakia und Dschableh an der Mittelmeerküste. Die Beobachtungsstelle meldete auch Proteste in der zentralen Stadt Homs. Dort sei ein Demonstrant getötet worden, als Sicherheitskräfte das Feuer eröffneten, um die Menschenmenge auseinander zu treiben, erklärte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.
Aufnahmen aus Dschableh zeigten zahlreiche Menschen auf den Straßen. Viele skandieren Slogans, beispielsweise: "Alawiten, Sunniten, wir wollen Frieden".
Rahman sagte, das Datum des Videos sei unbekannt. Er betonte, es sei Anfang Dezember gefilmt worden, als die von der islamistischen Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) angeführten Milizen die Kontrolle über wichtige Städte, darunter Aleppo, übernommen hatten, was schließlich zum Sturz Assads führte. AFP konnte das Filmmaterial und den Zeitpunkt der Aufnahme zunächst nicht unabhängig prüfen.
Die neuen syrischen Behörden erklärten indes, das Videomaterial sei "alt" und stamme "aus der Zeit der Befreiung" Aleppos unter der HTS-Miliz. Das Innenministerium erklärte, hinter dem Angriff steckten "unbekannte Gruppen" und die "Wiederveröffentlichung" des Videos diene dazu, "in dieser sensiblen Phase Unruhe in der syrischen Bevölkerung zu stiften".
Die Spannungen dauerten am Donnerstag an. In Latakia sah ein AFP-Korrespondent bewaffnete und zumeist vermummte Kämpfer, die inmitten des dichten Verkehrs in einem Wohngebiet in die Luft schossen. Einer der Bewaffneten schrie demnach, die Unterstützer Assads müssten "neutralisiert" werden.
Aus Homs meldete ein Augenzeuge "ein großes Aufgebot von HTS-Männern in einigen Stadtteilen, in denen es am Vortag zu Demonstrationen gekommen war". Seinen Angaben zufolge wurden Autos durchsucht, es herrsche "große Angst".
Assad hatte sich stets als Beschützer der Minderheiten im mehrheitlich sunnitischem Syrien dargestellt. Der Analyst Sam Heller von der Century Foundation sagte AFP, es gebe einen "gewissen Grad an Angst" in den alawitischen Gemeinden, die befürchten, "Bürger zweiter Klasse in einem politischen Projekt (...) zu werden, das mehrheitlich sunnitisch ist". Berichte über Angriffe würden ihr "Gefühl der Verwundbarkeit" verstärken.
Kämpfer unter Führung der HTS-Miliz hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die jahrzehntelange Herrschaft von Assad in Syrien beendet. Assad, dem Entführung, Folter und Ermordung von Andersdenkenden vorgeworfen werden, floh nach Russland.
Seit der Machtübernahme durch die HTS haben zahlreiche Delegationen aus dem Nahen Osten, Europa und den USA Damaskus besucht und versucht, Beziehungen zu der neuen Regierung aufzubauen.
Der Syrien-Koordinator der Bundesregierung, Tobias Lindner (Grüne), verwies im AFP-Interview auf Möglichkeiten für eine Lockerung der EU-Sanktionen. "Es gibt Dinge, die kann man sehr kurzfristig auch machen, etwa in Bezug auf die Energieversorgung im Land", sagte er. Im Gegenzug für derartige Lockerungen erwarte die Bundesregierung von der neuen syrischen Führung einen "inklusiven Regierungsansatz", "der alle Gruppen und Ethnien im Land berücksichtigt" und der "Respekt vor grundlegenden Menschenrechten, insbesondere Frauenrechten" beinhalte.
Am Donnerstag traf sich eine irakische Delegation mit den neuen Machthabern, um die "Sicherheitsbedürfnisse an der gemeinsamen Grenze" zu erörtern, wie irakische Staatsmedien berichteten. Der libanesische Außenminister Abdallah Bou Habib betonte indes in einem Telefonat mit seinem syrischen Amtskollegen, der Libanon hoffe auf "beste nachbarschaftliche Beziehungen".
G.Schulte--BTB