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Regierungsbildung in Wien: ÖVP offen für Gespräche mit Rechtspopulisten der FPÖ
Österreich steuert womöglich auf eine Koalition zwischen der rechtspopulistischen FPÖ und der konservativen ÖVP zu. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigte nach dem Scheitern der bisherigen Koalitionsverhandlungen für Montag ein Treffen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl an. Die ÖVP zeigte sich offen für Gespräche über eine Regierungsbildung mit der FPÖ. "Wenn wir zu diesen Gesprächen eingeladen werden, dann werden wir diese Einladung auch annehmen", sagte der geschäftsführende ÖVP-Vorsitzende Christian Stocker.
Van der Bellen betonte am Sonntag, dass nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche zwischen der ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos sowie dem Rückzug von Karl Nehammer als Bundeskanzler und ÖVP-Chef eine neue Situation eingetreten sei.
Nehammer habe ihm berichtet, dass die Stimmen innerhalb der ÖVP, "die eine Zusammenarbeit mit einer FPÖ unter Herbert Kickl ausschließen, deutlich leiser geworden sind". Dies bedeute, "dass sich möglicherweise ein neuer Weg auftut, der so davor nicht existierte", fügte der Präsident mit Blick auf ein mögliches Bündnis zwischen ÖVP und FPÖ hinzu. Es gehe jetzt darum, "dass Österreich eine Regierung bekommt, die handlungsfähig ist".
Er werde weiterhin darauf achten, dass die "Grundpfeiler unserer Demokratie respektiert werden", betonte Van der Bellen. Dazu zählten der "Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, Menschenrechte und Minderheitenrechte, freie und unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft".
Der Nachfrage eines Journalisten, ob er Kickl nach dem Treffen am Montagvormittag den Regierungsauftrag erteilen könnte, wich der Präsident mit den Worten "wenn, wenn, wenn" aus. Der rechtsradikale FPÖ-Chef hat bisher deutlich gemacht, dass er nur als Kanzler in eine Koalition gehen würde. Die FPÖ war schon mehrmals an der Regierung in Wien beteiligt, allerdings bisher nur als Juniorpartner.
Stocker sagte, falls die FPÖ seine Partei zu Verhandlungen einlade, werde die ÖVP diese Gespräche "ebenso ernsthaft führen" wie zuvor mit den anderen Parteien. "Und wenn dann ein Nenner gefunden wird, dann stellen sich die personellen Fragen", fügte er hinzu.
Der 64-jährige Stocker, der am Sonntag zum geschäftsführenden ÖVP-Vorsitzenden ernannt wurde, war in der Vergangenheit als entschiedener Gegner der FPÖ in Erscheinung getreten. "Aber seit gestern stellt sich die Situation anders", sagte er nun. "Es geht daher jetzt nicht um Herbert Kickl oder um mich, sondern es geht darum, dass dieses Land gerade jetzt eine stabile Regierung benötigt und wir nicht fortlaufend Zeit in Wahlkämpfen oder Wahlen verlieren können, die wir nicht haben."
FPÖ-Chef Kickl reagierte am Sonntag zurückhaltend. "Manches scheint heute um einiges klarer zu sein als in den letzten Tagen, manches liegt noch im Ungewissen", schrieb er im Onlinedienst X.
Der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger sagte der österreichischen Nachrichtenagentur APA, er gehe davon aus, dass Van der Bellen Kickl am Montag den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen werde. Danach werde seine Partei "intern beraten".
Der Politikberater Thomas Hofer sagte der APA mit Blick auf die Äußerungen des Bundespräsidenten und des ÖVP-Interimschefs, dass "die Tore sehr weit in Richtung einer blau-schwarzen Zusammenarbeit geöffnet wurden".
"Jetzt droht genau das, wovor wir als SPÖ immer gewarnt haben. Blau-Schwarz mit Herbert Kickl als Kanzler", sagte der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler. Er warf der ÖVP und den Neos vor, in den Verhandlungen "Parteitaktik über die Zukunft dieses Landes" gestellt zu haben.
Die rechtspopulistische FPÖ war bei der Wahl im September mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die konservative ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent.
ÖVP und SPÖ versuchten nach der Wahl, den Einzug von Kickl ins Kanzleramt zu verhindern. ÖVP, SPÖ und die liberalen Neos nahmen Koalitionsverhandlungen auf. Die Neos stiegen aber am Freitag aus den Koalitionsgesprächen aus, am Samstag dann scheiterten die Verhandlungen auch zwischen ÖVP und SPÖ. Nehammer kündigte an, in den kommenden Tagen als Kanzler und Parteichef zurückzutreten.
Van der Bellen sagte am Sonntag, das Scheitern der Koalitionsverhandlungen sei auch für ihn überraschend gekommen. Es sei lange der Eindruck vermittelt worden, "als gäbe es eine gute Basis" zwischen den Parteien. "Und selbst nach dem Ausstieg der Neos wurde mir berichtet, dass eine Einigung möglich sei." Er werde nach Nehammers angekündigtem Rückzug im Laufe der kommenden Woche einen neuen Kanzler der Übergangsregierung ernennen, sagte der Bundespräsident.
B.Shevchenko--BTB