Berliner Tageblatt - Wehretat-Debatte: Pistorius will 30 Milliarden Euro mehr - Habeck für neue Schulden

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Wehretat-Debatte: Pistorius will 30 Milliarden Euro mehr - Habeck für neue Schulden
Wehretat-Debatte: Pistorius will 30 Milliarden Euro mehr - Habeck für neue Schulden / Foto: © AFP/Archiv

Wehretat-Debatte: Pistorius will 30 Milliarden Euro mehr - Habeck für neue Schulden

In der Debatte über die deutschen Wehrausgaben hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine deutliche Erhöhung um mindestens 30 Milliarden Euro gefordert. "Wir werden im Zweifel eher über drei Prozent als über zwei Prozent reden müssen", sagte Pistorius der "Süddeutschen Zeitung" (Samstagsausgabe) zum Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck plädierte unterdessen für die Aufnahme neuer Schulden zur Finanzierung der Wehrausgaben.

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"Wir geben jetzt zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben aus, dank des Sondervermögens", sagte Pistorius. "Bei drei Prozent reden wir nach heutigem BIP von etwas über 120 Milliarden Euro." Das seien 30 Milliarden mehr als heute.

"Das kann man nicht aus einem Etat herausschneiden, der 480 Milliarden umfasst", fuhr Pistorius mit Blick auf das Gesamtvolumen des Bundeshaushalts fort. Wer das wie Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) behaupte, mache den Menschen etwas vor. Die SPD will unter anderem die Schuldenbremse lockern.

Angesichts der Bedrohungslage durch Russland und neuer Nato-Forderungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump wird derzeit im Wahlkampf parteiübergreifend über die Höhe der künftigen Verteidigungsausgaben diskutiert. Habeck hatte sich in der Debatte bereits für eine Steigerung auf 3,5 Prozent des BIP ausgesprochen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte diese Forderung.

Habeck betonte nun, dass er dies zunächst nicht durch Einschnitte in den Sozialstaat, sondern nur mit neuen Krediten finanzieren wolle. Das zusätzliche Geld für die Bundeswehr solle "natürlich nicht aus dem laufenden Haushalt und nicht durch Kürzungen beim Bürgergeld" kommen, sagte Habeck dem "Spiegel". Auch Steuererhöhungen erteilte der Bundeswirtschaftsminister eine Absage. "In einer Wirtschaftskrise wäre das dumm."

Stattdessen sprach sich Habeck für die Aufnahme neuer Schulden aus. Die Mehrausgaben könnten "nur kreditfinanziert oder, sagen wir, vorfinanziert werden". Es gehe darum, kurzfristig die Mittel zu mobilisieren, um die Sicherheitsfähigkeit Deutschlands wiederherzustellen.

Habecks Kabinettskollege Pistorius forderte eine langfristige Finanzierungsgarantie, auch jenseits von Wahlen. "Wir müssen viel mehr als bislang über die Grenzen von Legislaturperioden hinweg planen. Konkret: Wir brauchen einen Fahrplan für die nächsten zehn Jahre", sagte der Minister.

"Wir müssen uns von Anfang an fragen: Wo stehen wir angesichts der Bedrohungslage in zehn Jahren?", führte der SPD-Politiker aus. Es gehe darum, was mit Blick auf moderne Technologien, Künstliche Intelligenz, Drohnen und andere unbemannte Waffensysteme gebraucht werde. "Dann wird sehr schnell klar, dass wir bis Mitte der 30er Jahre nach dem heutigem Preisniveau 130 bis 150 Milliarden Euro werden ausgeben müssen, nur für Investitionen in Rüstung und Verteidigung", sagte Pistorius.

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte Pistorius' Äußerungen: "Die Aufrüstungsdebatte, die nun auch der Verteidigungsminister befeuert, ist einfach nur krank." Schon heute gebe die Nato mehr als zehn mal so viel Geld für Waffen und Kriegsgerät aus wie Russland, sagte Wagenknecht der Nachrichtenagentur AFP. Auch ohne die USA seien die europäischen Nato-Staaten Russland "in allen konventionellen Waffenkategorien meilenweit überlegen, wie seriöse Studien belegen".

Die Bundeswehr habe "kein Geldproblem, sondern ein Problem mit einem intransparenten Beschaffungsfilz und knallhartem Lobbyismus der Rüstungsfirmen, den auch Pistorius nicht in den Griff bekommt", kritisierte Wagenknecht. Die Sozialdemokraten seien "in der Friedensfrage leider ein Totalausfall", wie auch Pistorius zeige.

In der Nato sind bisher Verteidigungsausgaben von mindestens zwei Prozent des BIP als Zielvorgabe gesteckt. Deutschland erreichte dieses Ziel im vergangenen Jahr zum ersten Mal - vor allem dank des nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschlossenen Sondervermögens für die Bundeswehr. Dieses dürfte aber spätestens 2028 aufgebraucht sein. Der reguläre Verteidigungshaushalt lag im vergangenen Jahr bei knapp 52 Milliarden Euro. Dies sind rund 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung.

I.Meyer--BTB