Berliner Tageblatt - Neue Regierung in Österreich vereidigt - Stocker neuer Bundeskanzler

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Neue Regierung in Österreich vereidigt - Stocker neuer Bundeskanzler
Neue Regierung in Österreich vereidigt - Stocker neuer Bundeskanzler / Foto: © APA/AFP

Neue Regierung in Österreich vereidigt - Stocker neuer Bundeskanzler

Fünf Monate nach der Parlamentswahl ist in Österreich am Montag eine neue Regierung vereidigt worden. Neuer Bundeskanzler ist ÖVP-Chef Christian Stocker, der erstmals in der Geschichte Österreichs eine Dreier-Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen anführen wird. Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte bei der Vereidigungszeremonie in der Wiener Hofburg die Notwendigkeit einer stabilen Regierung angesichts geopolitisch herausfordernder Zeiten.

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"Die Zeiten, in denen wir nun leben, sind schon einmal, wie soll ich sagen, weniger herausfordernd gewesen", sagte Van der Bellen auch mit Blick auf die Trump-Regierung in den USA. "In Europa muss es ein neues Miteinander geben, politisch und was eine gemeinsame Friedenssicherung betrifft."

Die Europäische Union sei eine wirtschaftliche Großmacht, sagte der österreichische Bundespräsident weiter. "Das scheinen viele inzwischen vergessen zu haben. Es ist eine wirtschaftliche Weltmacht. Europa ist stark, wenn es zusammenhält."

Neben Bundeskanzler Stocker legten auch die Vorsitzenden von SPÖ und den liberalen Neos sowie die weiteren Mitglieder des neuen Kabinetts ihren Amtseid ab. Vizekanzler der neuen Regierung wird SPÖ-Chef Andreas Babler, das Außenressort leitet künftig die Vorsitzende der Neos, Beate Meinl-Reisinger.

Die konservative ÖVP hatte sich im zweiten Anlauf mit den Sozialdemokraten und den Liberalen zusammengerauft und ein Dreierbündnis auf den Weg gebracht. Damit blieb die rechtspopulistische FPÖ, die bei der Parlamentswahl im September mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im österreichischen Parlament geworden war, außen vor. Sie hatte nach der Wahl keinen Koalitionspartner gefunden.

Ein erster Versuch für eine Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos war Anfang Januar zunächst gescheitert. Danach hatte der rechtsradikale FPÖ-Chef Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Gespräche mit der ÖVP scheiterten jedoch.

Mit der Vereidigung der neuen Regierung ist in Österreich nun die längste Zeit einer politischen Hängepartie nach einer Wahl vorbei. Die ÖVP habe sich bei den Koalitionsverhandlungen flexibel gezeigt, sagte Politikexperte Peter Hajek der Nachrichtenagentur AFP. So habe die Partei etwa das Finanzministerium, das lange Zeit in ihren Händen lag, den Sozialdemokraten überlassen. Der neue Bundeskanzler Stocker gewinne "langsam an Glaubwürdigkeit und schärft sein politisches Profil".

Der zweite Anlauf der Koalitionsgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und Neos hatten innerhalb von knapp zwei Wochen zum Erfolg geführt. Hinter dem Land lägen "die vielleicht schwierigsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte", sagte ÖVP-Chef Stocker bei der Vorstellung des 200 Seiten starken Regierungsprogramms in der vergangenen Woche.

Das mit den Worten "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich" überschriebene Programm sieht neben einem klaren Bekenntnis zu einer "starken und besseren Europäischen Union" unter anderem eine striktere Asylpolitik vor: Der Familiennachzug soll zumindest vorübergehend gestoppt werden, während einer dreijährigen "Integrationsphase" soll es zudem nur reduzierte Sozialleistungen geben.

Der neue Bundeskanzler Stocker war in Österreich lange Zeit eher ein Unbekannter. Erst im Januar trat er ins politische Scheinwerferlicht, als er den ÖVP-Vorsitz übernahm, nachdem der ehemalige Kanzler Karl Nehammer infolge des Scheiterns der ersten Runde der Koalitionsverhandlungen das Handtuch geworfen hatte.

Innerhalb von 24 Stunden überraschte Stocker seine Landsleute mit der Ankündigung, Gespräche mit der FPÖ aufnehmen zu wollen - was die ÖVP im Wahlkampf stets ausgeschlossen hatte. Nach Einschätzung von Politikexperte Hajek werden die Österreicher Stocker diese Kehrtwende jedoch verzeihen.

Der 64-jährige Anwalt und passionierte Fliegenfischer Stocker wurde 2019 erstmals als Abgeordneter in den Nationalrat gewählt. Zuvor war er stellvertretender Bürgermeister in der Wiener Neustadt. 2022 machte ihn der damalige ÖVP-Chef Nehammer zum Generalsekretär. Stocker ist verheiratet und hat zwei Kinder.

P.Anderson--BTB