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Ukrainische Armee zieht nach russischem Rückzug in Cherson ein
Die ukrainische Armee hat bei ihrer Gegenoffensive im Südosten der Ukraine einen bedeutenden Sieg errungen: Neun Monate nach Beginn des Krieges räumte die russische Armee am Freitag die strategisch wichtige Stadt Cherson und überließ das Feld den ukrainischen Streitkräften. "Cherson kehrt unter die Kontrolle der Ukraine zurück", erklärte das Verteidigungsministerium in Kiew.
Die russische Armee hatte den vollständigen Truppenabzug nach eigenen Angaben am frühen Freitagmorgen abgeschlossen. Um 05.00 Uhr (04.00 Uhr MEZ) sei "der Transfer russischer Soldaten ans linke Ufer des Flusses Dnipro beendet" gewesen, teilte das russische Verteidigungsministerium in einer in Online-Diensten veröffentlichten Erklärung mit.
Demnach wurde "kein einziges Teil militärischer Ausrüstung und Waffen" auf der anderen Flussseite zurückgelassen. Die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti veröffentlichte Aufnahmen von russischen Militärfahrzeugen, die Cherson über die Antonowski-Brücke verließen. Die russische Armee gab an, mehr als 30.000 Soldaten aus dem Norden der Region Cherson zurückgezogen zu haben.
"Cherson kehrt unter die Kontrolle der Ukraine zurück, Einheiten der ukrainischen Streitkräfte betreten die Stadt", schrieb das ukrainische Verteidigungsministerium im Online-Dienst Facebook und rief verbliebene russische Soldaten dazu auf, "sich augenblicklich zu ergeben". Die Rückzugsrouten der "russischen Invasoren" seien unter Feuer der ukrainischen Armee, erklärte Kiew weiter. "Jeder russische Soldat, der Widerstand leistet wird eliminiert." Wer sich ergebe werde jedoch am Leben gelassen, erklärte das Ministerium.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nannte den russischen Rückzug einen "weiteren wichtigen Sieg" für die Ukraine. Die jüngsten Entwicklungen bewiesen: "Was auch immer Russland sagt oder tut - die Ukraine wird gewinnen", schrieb Kuleba in Online-Diensten. Dort wurden auch Bilder von Menschen in Cherson veröffentlicht, die ukrainische Flaggen schwenkten.
Angesichts der Fortschritte der ukrainischen Gegenoffensive hatte die russische Armee am Mittwoch ihren Rückzug aus dem Norden der Region Cherson und deren gleichnamiger Hauptstadt angeordnet. Die Stadt war das erste größere urbane Zentrum, das die russischen Streitkräfte seit Beginn des von Moskau "militärische Spezial-Operation" genannten Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar einnehmen konnten. Es war zugleich die einzige russisch kontrollierte Regionalhauptstadt in der Ukraine.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Ende September die Annexion von Cherson und drei weiteren ukrainischen Regionen verkündet. Am Freitag erklärte der Kreml, Cherson bleibe trotz des Truppenabzugs Teil des russischen Staatsgebiets. Die Region sei "Subjekt der Russischen Föderation", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow unter Verwendung der russischen Bezeichnung für Verwaltungseinheiten.
"Daran ändert sich nichts und daran kann auch nichts geändert werden", fügte Peskow hinzu. Auf die Frage, ob Russland die Annexion Chersons bereue, sagte Peskow, der Kreml verspüre diesbezüglich "kein Bedauern".
Dem russischen Rückzug waren Gebietsgewinne der ukrainischen Streitkräfte in der Region vorausgegangen. Der ukrainische General Walerij Saluschny erklärte am Donnerstag, ukrainische Truppen hätten nach Kämpfen an der Front zwischen Petropawliwka und Noworaisk sechs Siedlungen zurückerobert. Sechs weitere Ortschaften wurden nach seinen Worten zwischen dem Ort Perwomaiske und Cherson eingenommen. Insgesamt habe die Ukraine damit mehr als 200 Quadratkilometer Gebiet zurückerobert.
Die Region Cherson ist seit Wochen Ziel der ukrainischen Gegenoffensive. Für Moskau ist die Region strategisch von großer Bedeutung, um die Offensive in Richtung Mykolajiw und zum Schwarzmeerhafen Odessa fortsetzen zu können. Darüber hinaus beherbergt Cherson den Kachowka-Staudamm, der die von Russland annektierte Halbinsel Krim mit Wasser versorgt.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte nach Beratungen mit dem litauischen Außenminister Gabrielius Landsbergis in Berlin, Russland zerstöre in der Ukraine vor dem hereinbrechenden Winter gezielt zivile Infrastruktur, um die Menschen "erfrieren, verhungern und verdursten" zu lassen.
G.Schulte--BTB