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Klöckner rät Kirchen zu politischer Zurückhaltung - und provoziert Widerspruch
Mit Äußerungen zur politischen Rolle der christlichen Kirchen hat Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) am Osterwochenende eine lebhafte Debatte entfacht. Klöckner riet den Kirchen, sich auf seelsorgerische Aufgaben zu konzentrieren. Bei tagespolitischen Themen solle sie sich aber zurückhalten, sagte Klöckner der "Bild am Sonntag". Die Kirchen drohen ansonsten "beliebig" zu werden und als eine von vielen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu erscheinen. Von SPD und Grünen kam scharfe Kritik.
Die studierte Theologin Klöckner kritisierte, "dass Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat". Dann werde die Kirche "leider auch austauschbar".
Klöckner führte aus: "Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer". Sie glaube, "von Kirche erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität".
Dass immer mehr Menschen aus den Kirchen austreten, führte Klöckner auch darauf zurück, dass Kirche "nicht immer die Antworten gibt, die die Menschen gerade brauchen". So hätte die Kirche etwa in der Coronazeit "vielleicht noch einen Tick mehr an Stabilität, mehr an Sinnstiftung und Seelenbegleitung geben können".
Widerspruch kam von Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann, die sich für politisch aktive Kirchen aussprach. "Warum sollten sich die Kirchen nicht äußern zu Ungerechtigkeiten in der Welt, zu Humanität und Menschlichkeit, zum sozialen Zusammenhalt und zur Nächstenliebe?" sagte Haßelmann dem "Tagesspiegel" (Dienstagausgabe). "Das sind doch existentielle Fragen des Lebens."
Lars Castellucci, Kirchenbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion, setzte eine Spitze gegen Klöckners Äußerungen. Die Kirche sei die "weltweit größte Nichtregierungsorganisation", sagte Castelucci dem "Spiegel". Dies habe auch der verstorbene Papst Franziskus mit seinem Engagement deutlich gemacht.
Noch schärfere Kritik an Klöckner kam vom SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner. "Statt der österlichen obrigkeitsstaatlichen Zurechtweisung hätte ich mir von meiner Präsidentin des Deutschen Bundestages die besondere Wertschätzung für diese Rolle der Kirchen gewünscht", sagte er dem "Tagesspiegel".
"Die Stimme der Kirchen für Frieden und Gerechtigkeit dürfte ruhig häufiger, unbequemer und lauter zu hören sein", sagte Stegner. Dies gelte insbesondere, "wenn es darum geht, der Militarisierung von Denken und Handeln, der Inhumanität und der sozialen Spaltung unserer Gesellschaft Paroli zu bieten".
Klöckner, die früher Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken war, hatte ihre Ansichten bereits Anfang April in einem Interview mit dem katholischen Domradio dargelegt. Damals sagte sie, sie halte es "nicht immer für sinnvoll, wenn Kirchen glauben, eine weitere NGO zu sein und sich zu Tagespolitik äußern". Sie wünsche sich eine Kirche, die etwa in bioethischen Fragen Orientierung gibt - "wenn es um das ungeborene Leben geht oder das Leben, das den letzten Atemzug macht".
I.Meyer--BTB